Wie wir in der Oberförsterei Griesel für den Winter vorsorgten
Über die traditionelle Vorratshaltung der Selbstversorger in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts berichtet Hubertus Lehner:
Mein Elternhaus stand dicht am Grieselfließ, das 50 m entfernt von ihm durch große Quellen entsprang , und schon an dieser Stelle hatten unsere Vorgänger ein unterschlechtiges Mühlrad eingebaut, mit dem man Roggen, Hafer und Gerste, zuweilen auch Buchweizenkörner zu Mehl mahlte. Das hatte jedoch die Vordermühle, die 2 km entfernt lag, in besserer Weise übernommen, so daß das Mühlenrad im Hause nicht mehr gebraucht wurde und zerbrochen irgendwo da herumlag.
Aber ein Teil des Baches floß weiterhin durch unsern Keller. Da gab es in meiner Jugendzeit immer noch einige Forellen zu fangen. Wenn unsere Gäste abends eine Forelle essen wollten, schickte meine Mutter sie in den Keller.
Aber zuweilen fielen auch reife Pflaumen hinein und blieben da im Wasser mit ihrer blauen Farbe sehr lange unverdorben liegen. Dabei erkannten wir, daß das 7 Grad kalte Wasser eine Möglichkeit bot, auch Früchte lange Zeit eßbar zu erhalten.
So kam es, daß wir Kirschen, Pflaumen und auch Walderdbeeren in verschließbare gläserne Gefäße einlagerten, zuweilen ein bißchen Zucker darüber streuten und die Gläser luft- und wasserdicht verschlossen. Dann stellten wir sie in das kalte Wasser und freuten uns, wenn wir sie Wochen später herausholten, und sie rochen und schmeckten wie frisch.
Ein anderer Kellerteil, der so ungefähr 3 x 3 m groß war, hatte ein kleineres Fenster nach draußen, durch das wir jedes Jahr weißen Sand ca 30 cm hoch auf dem Boden aufschütteten. Diesen Sand erneuerten wir in jedem Jahre und pflanzten dann im Keller dicht bei dicht in langen Reihen Mohrrüben ein, wobei wir ihnen vorher das Laub fast bis zur Rübe kürzten. Die weißen Porreestängel holten wir im Oktober vor den Frösten aus den Gartenbeeten, klopften die Erde sauber ab und schnitten das Laub kürzer, und auch dann wurden diese Porreestängel im weißen Sande senkrecht stehend eingegraben und blieben bis zum Frühjahr darin gut erhalten.
Die Sellerieknollen bürsteten wir sauber ab und legten sie dann auf den weißen Sand. So blieben sie frisch!
Den Rosenkohl ließen wir draußen stehen, da er am besten schmeckte, wenn er etwas Frost erhalten hatte, und dann deckten wir die gut einen Meter hohen Pflanzen mit einer Art Folie ab, unter der man die Röschen gut abpflücken konnte.
Den Weißkohl, den wir auf einem Sonderbeet im Garten mit sehr viel Mist angebaut hatten, holten wir in unseren Keller, nachdem wir die gelben Blätter und dicken Wurzelstiele entfernt hatten, und schnitten die Köpfe, ohne sie zu waschen, in unserem Sauerkrauthobel zu feinen Streifen zusammen. Das machte meistens mein Bruder Willi, der aufpassen mußte, daß er sich nicht mit den drei Hobelmessern einen Finger abschnitt! Den Hobel , der 30 cm breit und gut 80 cm lang war, hatte unser Zimmermann Breyer aus Eichenholz angefertigt, die drei langen Messer machte unser Schmied Jeschke dafür passend fertig.
Das gehobelte Kraut packte ich in ein 100-Liter-Fass aus Eichenholz, dessen Deckel wir abgenommen hatten. Hier stampfte ich das geschnittene Kraut mit einem hierfür angefertigten schweren Holzteil so fest, daß das gehobelte Kraut, das wir geerntet hatten, in diese Tonne hineinging. Wir salzten das Kraut nicht und warfen nur ein paar Kadikbeeren (Wachholder) hinzu, um dem Kraut einen gewissen Geschmack zu verleihen. Wir deckten ein kleines Leinentuch über den geschnittenen Kohl, legten dann einen runden Holzdeckel darüber, den wir mit zwei gesäuberten Feldsteinen darauf beschwerten. In diesem Fass war das Kraut nach einigen Wochen zu Sauerkraut vergoren. Immer, wenn wir etwas Kraut zum Essen brauchten, wurde diese Abdeckung abgenommen und danach wieder auf dem Kraute verlegt.
Wir aßen das rohe Sauerkraut als Kinder sehr gerne. Es ließ sich sehr gut kauen und schmeckte als Salat hervorragend. Meine Mutter ließ das Kraut zu vielen Braten kochen und sagte immer: „ Wenn dieses Fleischgericht zwei- oder dreimal aufgewärmt wird, schmeckt es immer besser!“
Unsere Kartoffeln kamen zur Lagerung in einen Keller, nach Größe sortiert, wobei in einem großen Dämpfer die kleinen und verletzten Kartoffeln weich gekocht und später als Viehfutter gebraucht wurden.
Die Milch, die die Kühe lieferten, wurde durch unsere Zentrifuge entrahmt, und ich erinnere mich, daß unsere Mädchen beim Drehen der Zentrifuge immer sehr süße und anheimelnde Lieder von Liebe und Leidenschaft sangen! In unserem Hause verbrauchten wir nie die ganze Kuhmilch , und da man sie nicht verkaufen konnte, machte meine Mutter Käse daraus. Sie säuerte die Milch mit einem Lab-Extrakt, wodurch sie zu Quark wurde, den sie zunächst durch große Beutel entwässerte, und dann kam diese Masse in 10 x 10 cm große Holzgefäße, die mit Löchern versehen waren.
Nach einigen Wochen war der Quark auf 5 cm Dicke zusammengeschrumpft, wurde etwas gesalzen und in Leinentücher gewickelt aufeinandergelegt. Meine Mutter streute zuweilen gemahlenen Dill, Kümmel oder Petersilie darüber, so daß der Käse ganz verschiedenen Geschmack annahm.
Diesen Käse nahm Bauer Spiegel, der öfter nach Berlin fuhr, um in der Markthalle landwirtschaftliche Erzeugnisse zu verkaufen, und wurde auch den Käse meiner Mutter immer schnellstens los!
Dieser Bauer Spiegel wußte genau, wie er die Stadtmenschen ansprechen mußte, denn sie hörten seinen dörflichen Geschichten sehr gerne zu. Er hatte so eine Bildersprache, die den Stadtmenschen wie wundersame Märchengeschichten vorkamen, und da sie ehrlich waren, hielten sie seine dörflichen Produkte wie ehrliche Gaben des Landes, in dessen großen Städten sie leben mußten.
Wenn er erzählte, wie sie daheim frühstückten, besonders im Winter, wenn´s noch dunkel und kalt war, dann staunten sie über das, was auf dem Dorfe zum Frühstück gegessen wurde, während der Bäcker bei ihnen weiße Brötchen in einem Beutel an die Türe hängte. Sie hörten, wie der Bauer von einem großen Laib Brot, das nicht fein weißes Mehl enthielt, sondern recht bräunlich aussah, nun eine dicke Stulle vor seiner Brust abschnitt. Wir Kinder strichen darauf eine dicke Schicht Schweineschmalz und aßen das Brot noch mit dickem Pflaumenmus belegt, so daß man das Schmatzen laut hörte!
Meine Eltern, die nicht mehr soviel zu essen brauchten wie wir Kinder, gingen mit den Speisen etwas sparsamer um und gebrauchten andere Marmeladen statt des Pflaumenmuses, das bei uns zu Hause in großen Kupferkesseln so ungefähr acht Stunden lang über einem großen Holzfeuer bis zu einer gewissen Festigkeit durchgerührt wurde!
Unsere Mutter machte aus Blaubeeren, Walderdbeeren, Brombeeren und auch Gartenerdbeeren wundervoll schmeckende Marmeladen, die auch unsere Gäste sehr gerne aßen. Diese Marmeladen wurden in kleinere Glasgefäße geschüttet , darauf durch einen Pinsel mit Alkohol an der Oberfläche bestrichen und dann luftundurchlässig mit Pergament oder Cellophan verschlossen und zugebunden.
Diese Gläser und auch große Mengen Käse standen in unserer Speisekammer auf großen Gestellen trocken da, um zum Essen abgeholt zu werden.
Auf der anderen Seite dieses kleinen Raumes hingen meistens ein paar Kaninchen oder Hasen, zuweilen auch eine Reh- oder Wildschweinkeule, fliegensicher in einem Beutel von der Decke herunter.
Wir Kinder wußten, wie man ein Kaninchen oder einen Hasen für die Pfanne zubereiten mußte, und darauf verließ sich unsere Mutter immer, bevor sie anfing zu kochen.
So bereiteten wir auch die Fische zu, die sie braten wollte. Wir wußten, daß Hechte und Barsche sich sehr schwer schuppen lassen, und hatten uns einen Trick ausgedacht, nach dem das eine ganz einfache Sache war. Mit einer Gabel hielten wir den Fischschwanz fest und zogen, mit der Hand am Kopf anfassend, den Fisch auseinander. Dann lösten sich die Schuppen ganz einfach von der Haut.
Die Aale wurden mit einer schwachen Säure beträufelt, dann konnte man vom Kopf bis Schwanz die Haut leicht abziehen. Die Aalhäute waren, nachdem wir sie mit Alaun gegerbt hatten, ein passendes Vorfach für Angelhaken, die wir an einer langen Schnur befestigt hatten.
Die Haut der Hasen wurde nicht weggeworfen, sondern das ausgebratene Fett kam bei uns, in einer Dose aufbewahrt, in den Arzneimittelschrank und diente dort als Heilmittel für Frostbeulen und dreckverschmutzte Wunden zum Aufstrich unter einem Verband. Wenn wir uns mit einem Holzsplitter verletzt hatten, war dieser am nächsten Tage durch das Hasenfett schon aus der Wunde herausgezogen worden.
(Dieser und viele weitere Texte sind zu finden in dem Buch "Geschichten aus dem Grieseltal. Bilder aus einem Oberförsterei jenseits der Oder" von Hubertus Lehner)
Sie finden weitere Griesel/Gryzyna-Artikel unter dem Stichwort "Regionalgeschichte" in meinem Blog.