Vita Gisela Lehner geb. Felde (2)

Nach einjähriger Verlobungszeit heiratete Gisela Hubertus Lehner, ihren ehemaligen Lehrer, geboren 1907 in Griesel/Kreis Crossen an der Oder.

Giselas Vater Max Felde sagte während der Hochzeitsfeierlichkeiten:“ Hiermit begrüße ich die beiden Jungbauern, die ab sofort den Hof in Tarnowke-Abbau, genannt „Michlerstal“ oder  „Niemand-sieht -mich“ bewirtschaften werden!“ Das Paar war hochüberrascht, dass der Vater zum Kauf dieses Grundstückes eine Genehmigung von der Landwirtschaftskammer bekam, aber er konnte nachweisen, dass beide die Bauernfähigkeit erworben hatten.  Dieser Hof lag gegenüber dem eigenen Gut, durch die Küddow davon getrennt, und besaß auch eine Fischereigenehmigung. 

                        
.  Kleines Aquarell von Gisela Lehner

Auf diesem Hof mit ca 13 Hektar Land hatten beide sofort sehr viel zu tun mit Vieh, Landumbruch, Drainage und Fischerei. Sie  hatten  ein Pferd, Kühe, Schafe und Ziegen, Hühner, Zwerghühner und Fische (in der Küddow), im Garten Gemüse, Blumen

und  eine Obstplantage. All dies musste Gisela schon bald allein bewirtschaften, da ihr Mann schon im August 1939 zum Militär eingezogen wurde und von da an von der Ostfront  nur noch zu kurzen Urlaubsbesuchen kommen konnte.

"Niemand-sieht-mich"   Ölbild von H.Lehner

Außerdem planten sie weitere Gebäude, um  dort  künstlerische   Leute aus den verschiedensten Völkern Europas jährlich zu einem Kongress versammeln zu können. Vorgespräche mit Felix Timmermans und Svend Fleuron für diese Begegnungsstätte für Künstler hatten schon stattgefunden.Der Krieg machte diese Pläne zunichte.

1940,1942 und 1944 brachte Gisela hier ihre drei ältesten Kinder zur Welt.

Der kleine Hof Michlerstal Niemand-sieht-mich-wirkt heute , als wäre die Zeit stehengeblieben.

Man fährt durch einen Wald mit alten Kiefern, dann öffnet sich die Szene:Einige kleine alte Gebäude werden sichtbar, davor blüht der Mohn. Neugierig schaut eine Ziege aus der Stalltür, Hunde schlagen an, ein Kätzchen begrüßt den Besucher. Im Hintergrund schattern Enten , Hühner scharren neben dem Holzstoß. Eingezäunt ein ordentlicher Gemüsegarten und eine Obstwiese. Hinunter zur Küddow, einem Fluß mit starker Strömung, erstrecken sich die Heuwiesen, wo der Storch die Nahrung für seinen Nachwuchs holt.

Ganz ähnlich wie der Hof im Sommer 2008 sich darbietet, muss er auch im Sommer 1944, dem letzten Sommer, den Gisela Lehner dort erlebte, ausgesehen haben.

Am 24.  Januar  musste Giesela Lehner mit den drei kleinen Kindern (5 J., 3 J., 2 Monate alt) im Lazarettzug  Richtung Westen bei Schnee und eisiger Kälte  flüchten.

Die 1. Etappe führte sie bis Grimmen in Vorpommern bzw. Holthof, die 2. nach Teutendorf (Mecklenburg), sie war  mit drei ihrer Schwestern und deren 7 kleinen Söhnen unterwegs. Die 3. Etappe   der Flucht führte im Treck über Schlutrup und Eutin nach Suchsdorf bei Kiel, die 4. Etappe schließlich von Norddeutschland nach Lorsch in Hessen, wo  ihre Schwägerin im Forsthaus neben der Nibelungenhalle wohnte. Hier kamen GL und ihre Schwester samt Kindern in beengten Verhältnissen unter. Sie hatten außer ihrem Leben fast nichts retten können.

Die Lorscher Nibelungenhalle, rechts im Hintergrund das Forsthaus, Aquarell von 1948, vermutlich Gemeinschaftsarbeit beider Künstler.

Das Trauma von Krieg, Flucht und Vertreibung hat GL wohl unterschwellig ein Leben lang begleitet und belastet, auch wenn sie stets vermieden hat, es zu thematisieren, es war sicher zu schmerzhaft, auch nur daran zu rühren.