Unser Weihnachten zu Hause in Griesel
Hubertus Lehner erzählt dazu:
"Ihr müsst bedenken, daß wir als Kinder außerhalb unseres Dorfes die Schule besuchen mußten. So waren wir nur in den Ferien zu Hause. Zudem muß ich euch sagen, daß wir zwar bei netten Pensionseltern untergebracht waren, denen es aber wirtschaftlich nicht so gut ging, und das besonders nicht in der Inflationszeit .
So war Weihnachten für uns Kinder die Zeit der erfreulichsten Ereignisse.
Manchmal, wenn wir so an einem Sonntag im November nach Hause fuhren mit dem Rad oder der Eisenbahn, trafen wir unsere Mutter beim Backen an.
Die Pfefferkuchen mußten zeitig vor dem Fest gebacken werden, damit sie in großen Blechkisten reifen konnten. Das gab viel Arbeit, bei der wir sehr gerne halfen. Ein guter Zentner Honig, der schon fest geworden war, mußte gerührt werden. Zitronat und Orangeat mußten geschnitten werden, alles mußte man gut verrühren. Und das oft in einer Blitzrührschüssel .
Zu der Arbeit drängten wir uns alle. Das hatte seine Gründe. Der Deckel der Schüssel hatte eine große Öffnung, und wenn man schnell drehte, schwappte manches über, und das schleckte man gerne, bevor man das viele Mehl über die guten Zutaten streute. Wir stachen auch die ausgewalzten Teige mit vielerlei Formen aus. Wir schmückten die Pfefferkuchen mit Mandeln und glasierten sie anschliessend. .
In Holz hatten wir kleine Figuren geschnitzt wie eine Zeichnung auf Papier, und die drückten wir fest auf kleine Teigplatten. So entstanden unsere Springerle, nach einem Rezept, das uns unsere Großmutter aus Schwaben gezeigt hatte.
Das Backen war eigentlich das Erste, was uns Kinder an Weihnachten erinnerte bis auf die Gedanken, die wir uns schon frühzeitig für Geschenke an Eltern und Geschwister machten.
Na ja, und dann kam die Weihnachtswoche. Ein Zimmer im Elternhause blieb verschlossen. Selbst das Schlüsselloch war dicht. Es gab nichts zu sehen.
Aber schon als acht- bis zehnjährige Kinder hatten wir bestimmte Arbeiten. Wir mus-sten viele kleine Fichtenzweige schneiden für Pakete , die an Freunde und Verwandte geschickt wurden, manchmal mit einer gerupften Pute, Ente oder Gans, zuweilen auch mit einem Hasen. Und ich kann euch sagen, wir konnten damals das Geflügel und die Hasen schon küchenfertig herrichten. Das war unser ganzer Stolz.
Ach, wie viele Pakete packten wir damals zu Weihnachten. Und ich weiß noch heute, daß unser Vater aufpaßte, daß wir beim Zuschnüren die Knoten so machten, daß sie keiner beim Auspacken zerschneiden mußte. So sparsam war man damals.
Unsere größte Freude war es, wenn am heiligen Abend, so um sechse , die Kirchenglocken läuteten und ein leichter Schnee aus der Dunkelheit herabrieselte. Wir hatten es zur Kirche nicht weit und saßen mit unserem Vater in der sogenannten Loge, die an der einen Seite des Kirchenschiffs gebaut war. Da standen die paar Stühle für gewisse „Herrschaften“, die auch im Kirchenvorstand waren.
Herrn Drabsch erkannten wir immer wieder an seiner tiefen Stimme, wenn er zum Ruprechtstag in unserem Kinderzimmer erschien und einen Sack Äpfel und Nüsse ausschüttete. Darunter die schönen „Schafsnasen“, die so süß schmeckten
Grafik von H. LehnerIn der Kirche war es meist grimmig kalt. Man sah den Atem, wenn die Gemeinde sang, und ich höre noch heute meinen Vater singen und sehe seinen Atem. Er sang meist falsch. Aber das tat seinem Glauben keinen Abbruch.
Und dann gings nach vielem Händedrücken nach Hause, wo unsere Mutter schon den Karpfen gebacken hatte.
Wir Kinder mußten noch lange auf die Bescherung warten, denn gleich nach der Kirche kamen die Leute, die bei uns arbeiteten, zum Essen. Mein Vater hielt eine kurze Rede , und dann nahm unser ältester Kutscher seine Mütze ab und las seine Begrüßung, die er niedergeschrieben hatte, vor. Alles war feierlich. Jeder der bei uns Beschäftigten bekam ein passendes Geschenk, das meine Mutter mit viel Verständnis ausgesucht hatte. Dann gingen die Leute, um mit ihren Kindern zu feiern. Nachdem alle fort waren und der Eßtisch abgeräumt war, dann erst klingelte das Weihnachtsglöckchen für uns.
Und was dann kam, könnt ihr euch ja wohl denken..."
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Eva Berwig , eine Schwester von Hubertus Lehner, hat ebenfalls ihre Erinnerungen niedergeschrieben:
"Das war war damals noch der Geburtstag Christi, es waren die glanzvollen Tage des brennenden Weihnachtsbaumes, dessen Lichter wir nur in der Weihnachtswoche sahen und nicht schon wochenlang vorher in den Straßen.
Während der ganzen Adventszeit saß Mama täglich in der Dämmerstunde am Klavier, die Kerzen zu beiden Seiten brannten und wir sangen gemeinsam die Weihnachts-lieder. das Weihnachtszimmer blieb die letztenTage vor dem Fest verschlossen und darin rumorte und knisterte es viel versprechend.
Am Heiligabend, wenn das Silberglöckchen ertönte, ging die Tür auf, und da man vorher bei der damaligen Beleuchtung wirklich nur im Halbdunkel saß, war man von den 70-80 Kerzen fast geblendet. Zuerst standen wir vor dem großen Baum, der mit Silberlametta und roten oder weißen Kerzen, Tannenzapfen und Nüssen geschmückt im Turmzimmer stand, und sangen Weihnachtslieder. Dann wurden wir an unseren Tisch geführt, auf dem ein kleiner, mit Süßigkeiten behängter „Kinderbaum“ stand, und daneben lag und stand einiges Spielzeug, aber mehr nützliche Dinge. Ich bekam alle Jahre wieder meine alte Puppe. Mama zog sie jedes Jahr neu an. Aber es gab auch einmal ein schönes Puppenbett dazu, von Papa gebastelt, und einmal sogar einen Puppenwagen."
Traditionell gehörte zum Weihnachtsfest im Ort eine besondere Süßspeise - Mohnpielen oder Mohnkließle genannt:
ein einfaches Rezept, das auch heute noch gut schmeckt. Die Zutaten kamen aus dem eigenen Anbau bzw konnten selbst erzeugt werden: Mohn, Milch, Weißbrot, Rosinen. Das Weißbrot wurde in mundgerechte Würfel geschnitten, der Mohn gemahlen und mit den Rosinen und etwas Zucker in reichlich Milch aufgekocht. Diese Flüssigkeit wurde dann über die Brotwürfel gegossen und das Ganze heiß als Nachtisch serviert.
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Diese Texte stammen aus meiner Griesel-Chronik:
Griesel Kreis Crossen/Neumark -Gryzyna/Krosno/Ziemia Lubuska. Geschichte und Geschichten 1500-2016
(Näheres siehe Eigenverlag)
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