Alte Verletzungen verpflichten zu nichts…

Zunächst einmal:

Verletzungen durch Worte oder Handlungen sind in erster Linie Aussagen über den „Täter“ selbst.

Sie  zeigen dessen Defizite, wie z.B. einen deutlichen Mangel an Empathie, sie weisen auf unge-nügende Erziehung, Selbstbeherrschung und Charakterbildung hin. Nur wer wenig Selbstwert hat, hat es nötig, andere zu erniedrigen und zu verletzen, um sich selbst größer zu fühlen.

Macht man sich dies klar, kann man ganz anders darauf reagieren.

Über den Umgang mit Zerstörung, Schmerz und alten Wunden kann man viel lernen, wenn man sich umschaut.

Hier zwei Beispiele:

Dringt in eine Muschel ein Fremdkörper ein, dann wehrt sie sich auf ihre Art dagegen: Sie ummantelt ihn im Laufe der Zeit mit einer dicken Schicht Perlmutt. In der entstandenen wunderbaren Perle ist der ehemalige Schmerz eingeschlossen und unschädlich gemacht.

In der japanischen Handwerkskunst gibt es eine wunderbare und besonders nachhaltige  Tradition. Sie nennt sich Kintsugi, übersetzt etwa „reparieren mit Gold“. Es ist eine Methode, bei der zerbrochene Gegenstände wie Schalen, Teller usw. mithilfe von besonderem Klebstoff und Goldflocken wieder zusammengefügt werden.  Dabei wird gerade nicht versucht, die Schaden möglichst unsichtbar zu machen, sondern im Gegenteil werden die Risse durch die nachträgliche Goldbemalung besonders hervorgehoben. Die Beschädigung ist sichtbar - ebenso wie die Heilung.

Aus der Wunde kann also ein Wunder werden..

Oft können wir beobachten, dass ein Insekt, im Zimmer gefangen, immer wieder erfolglos und bis zur Erschöpfung gegen dieselbe verschlossene Scheibe fliegt, während ein paar Zentimeter weiter ein Fenster halb offen steht.

Wir sollten den Mut haben, im neuen Jahr mal einen neuen Ausweg ins Freie zu suchen und zu finden, statt uns immer wieder an denselben Grenzen wundzureiben.

-------

Näheres zu Kintsugi finden Sie z.B.in folgendem Artikel:

www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/03/reparieren-mit-gold-die-japanische-tradition-des-kintsugi

Übrigens gibt es auch in in Europa  eine ähnliche Tradition:  Ist z.B. ein geliebtes Kleidungsstück beschädigt, kann man natürlich versuchen, den Schaden möglichst durch die Art der Reparatur zu verbergen. Man kann die erneuerte Stelle aber auch betonen durch z.B. kunstvolles Stopfen mit anderer Farbe, eine besondere Applikation o.ä.